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Vom Entscheider zum Enabler: Wie sich die Rolle des CEO in den letzten 20 Jahren verändert hat


EXECUTIVE SUMMARY:


Die Rolle des CEO hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten tiefgreifend verändert – von einer dominanten, kontrollorientierten Führungsfigur hin zu einer integrativen, beziehungsstarken und kulturell wirksamen Persönlichkeit. Der moderne CEO ist nicht nur Entscheider, sondern Enabler, Visionär, Kulturentwickler und Stakeholder-Manager.


Wesentliche Veränderungen:

  • Früher: Fokus auf Strategie, Kontrolle, klare Hierarchie, Shareholder Value

  • Heute: Fokus auf Beziehungen, Kultur, Kommunikation, Stakeholder-Erwartungen

  • Repräsentation: CEOs geben heute dem Unternehmen ein Gesicht – extern sehr viel mehr als früher

  • Kommunikation: Dialogorientiert, transparent, sichtbar – auch in sozialen Medien

  • Kompetenzen: Empathie, Selbstführung, Ambiguitätstoleranz, Adaptivität


Herausforderungen:

  • Viele Unternehmen, Führungskräfte und Aufsichtsgremien hängen noch traditionellen CEO-Idealen nach

  • Systemische Veränderungen sind notwendig, damit moderne CEOs wirklich wirksam werden können


Der CEO von heute für morgen ist nicht der beste Planer, sondern der beste Möglichmacher. Wer oben steht, muss heute Vertrauen schaffen, Orientierung geben, Beziehungen gestalten und die Organisation als lebendiges System begreifen.




 

Einleitung

In den frühen 2000er Jahren war das Bild des CEO geprägt von Autorität, Kontrolle und strategischer Weitsicht. Der CEO war der „starke Mann“ (meist tatsächlich ein Mann), der das Unternehmen wie ein Kapitän durch ruhige und stürmische Gewässer steuerte. Entscheidungen traf er meist allein oder im kleinen Kreis, Kommunikation war einseitig, Führung top-down.


Doch die Welt hat sich verändert – tiefgreifend, rasant und unumkehrbar. Digitalisierung, Globalisierung, gesellschaftlicher Wandel, ein neues Verständnis von Arbeit, Leadership und Verantwortung haben dazu geführt, dass sich auch die Rolle des CEO neu definieren musste. Wer heute an der Spitze eines Unternehmens steht, ist nicht mehr nur der oberste Entscheider, sondern auch Kulturstifter, Beziehungsmanager, Kommunikationsprofi und Integrator von Komplexität.


In diesem Artikel werfen wir einen differenzierten Blick auf diese Entwicklung. Was hat sich konkret verändert? Warum ist das so? Und was bedeutet das für zukünftige Führung?



Rückblick: Das traditionelle CEO-Verständnis

Der klassische CEO der 2000er Jahre war vor allem eines: ein strategischer Entscheider.


Seine Rolle war geprägt von:

  • Hierarchie: Entscheidungen wurden oben getroffen, unten ausgeführt.

  • Kontrolle: Transparenz war nach innen wichtig, Vertrauen nach außen begrenzt.

  • Planungssicherheit: Strategien wurden langfristig entwickelt und konsequent verfolgt.

  • Marktfokus: Im Zentrum stand die Optimierung von Shareholder Value und operativer Effizienz.

  • Sichtbarkeit: Eher begrenzt – nach außen war der CEO primär auf Hauptversammlungen, in Interviews oder bei Krisen zu sehen.


Die Rolle war klar: Verantwortung lag oben, Umsetzung unten. Kommunikation verlief linear. Der CEO war Kopf und Herz des Unternehmens, aber oft kein aktiver Teil seiner Kultur.



Neue Herausforderungen, neue Erwartungen

In den letzten zwei Jahrzehnten ist unsere Welt zunehmend von Dynamik, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt – oft zusammengefasst unter dem Begriff VUCA.


Das hat dramatische Auswirkungen auf Führungsrollen im Allgemeinen – und die CEO-Rolle im Besonderen:

  • Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle schnell und manchmal disruptiv, schafft Transparenz und erfordert neue Denkweisen.

  • Globalisierung bringt neue Märkte, aber auch neue Risiken und Abhängigkeiten.

  • Demografischer Wandel und Fachkräftemangel führen zu einem „War for Talents“.

  • Klimakrise, sozialer Wandel und Purpose-Orientierung fordern neue Formen unternehmerischer Verantwortung.

  • Technologische Disruption erhöht den Innovationsdruck.

  • Neue Arbeitswelten mit Homeoffice, hybriden Teams und agilen Strukturen machen klassische Steuerung schwieriger.


All das verlangt nach neuen Antworten. Und diese müssen an der Spitze gesammelt, kumuliert und formuliert, verkörpert und vorgelebt werden.



Der neue CEO: Vom Entscheider zum Enabler

Was macht den modernen CEO aus? Die Anforderungen haben sich deutlich verschoben – von Kontrolle zu Vertrauen, von Planung zu Adaptivität, von Strategie zu Sinn, von Monolog zu Dialog.


Beziehungsmanagement statt nur Geschäftsführung

Ein zentraler Aspekt der neuen CEO-Rolle ist die Führung über Beziehungen. Der CEO von heute ist:

  • Stakeholder-Manager: Er oder sie vermittelt zwischen Interessen von Investoren, Mitarbeitenden, Medien, Gesellschaft, Politik und Kunden.

  • Repräsentant: Der CEO ist das Gesicht des Unternehmens – nach außen wie nach innen. Er steht für Werte, Haltung und Kommunikation.

  • Dialogpartner: CEO-Kommunikation ist nicht mehr linear, sondern interaktiv – via Social Media, Townhalls, Kongressen, Branchenveranstaltungen und Podcasts.


CEOs müssen heute 24/7 Kommunikationskompetenz mitbringen – nicht nur für Krisen, sondern für kontinuierliche Präsenz.


Kulturarbeit und Werteorientierung

Wo früher Prozesse und Systeme dominierten, geht es heute immer mehr um Kultur. Der moderne CEO

  • versteht sich als Architekt einer wertebasierten Unternehmenskultur

  • sorgt für psychologische Sicherheit und Sinnorientierung

  • fördert Diversität, Inklusion und echte Beteiligung


Kultur ist nicht mehr "weich", sondern wird zur harten Erfolgswährung in der Mitarbeiterbindung, Innovationsfähigkeit und Resilienz.


Integrator von Komplexität

Der CEO ist nicht mehr der „Chief Knower“, sondern eher der „Chief Learner“ – jemand, der es versteht, Wissen zu vernetzen, Unsicherheit auszuhalten und Orientierung in Bewegung zu geben. In der Praxis heißt das:

  • Delegation von Verantwortung in agile Teams

  • Iteratives Entscheiden statt langfristiger Masterpläne

  • Förderung kollektiver Intelligenz statt Einzelmeinung

  • Aufbau von Systemkompetenz und Feedbackkultur



CEO-Kompetenzen im Wandel

Was muss ein CEO heute mitbringen? Einige klassische Kompetenzen bleiben (z. B. strategisches Denken, wirtschaftliches Verständnis), aber neue sind entscheidend geworden:

Früher (2005)

Heute (2025)

Entscheider

Enabler

Stratege

Visionär

Controller

Kulturträger

Sichtbar bei Bedarf

Permanent präsent & ansprechbar

Top-down-Kommunikator

Zuhörer und Dialogpartner

Zahlenorientiert

Sinnorientiert

Machtorientiert

Vertrauen basiert

Einzelgänger oder Gremium

Netzwerk-orientiert und partizipativ


Diese Veränderung zeigt sich nicht nur in der Praxis, sondern wird auch wissenschaftlich bestätigt. Eine aktuelle McKinsey-Studie (2024) hat gezeigt, dass Unternehmen mit CEO-Persönlichkeiten, die Offenheit, emotionale Intelligenz und kulturelle Sensibilität zeigen, deutlich resilienter durch Krisen kommen und eine höhere Mitarbeiterbindung erzielen. Jim Collins beschrieb in seinem Buch "Der Weg zu den Besten (Good to Great)" im Jahr 2011 diesen neuen Typ von CEO studienbasiert schon sehr genau.



Warum viele Unternehmen noch nicht so weit sind

Trotz all dieser Erkenntnisse tun sich viele Unternehmen schwer mit der Umsetzung dieses Rollenwandels. Warum?

  • Tradierte Erwartungen an CEOs (intern wie extern) sind oft noch von Stärke, Kontrolle und Klarheit geprägt.

  • Aufsichtsräte und Investoren bevorzugen häufig „klassische“ Lebensläufe.

  • Medien belohnen immer noch „starke Statements“ mehr als differenzierte Kommunikation.

  • Organisationsstrukturen sind oft nicht darauf ausgelegt, echte Beteiligung oder Kulturentwicklung zu ermöglichen.


Es braucht nicht nur den Wandel des CEO – sondern auch die Transformation des Systems, das ihn trägt.

Ein Beispiel dafür, wie die Wirksamkeit eines Systems überprüft und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können, ist der HIPE-Check.







Der CEO als Spiegel der Gesellschaft

Ein CEO agiert nie im luftleeren Raum. Er oder sie spiegelt gesellschaftliche Erwartungen, Normen, Widersprüche. In einer zunehmend polarisierenden Welt mit multiplen Krisen wächst die Erwartung, dass Unternehmen – und ihre Spitzen – Haltung zeigen.


CEOs werden dadurch auch zu politischen Akteuren. Aussagen zu Klimaschutz, Demokratie, Diversity oder KI-Ethik werden nicht mehr als „Privatmeinung“ verstanden – sondern als unternehmerischer Akt mit gesellschaftlicher Wirkung.


Beispiel: Satya Nadella (Microsoft), der mit Empathie, Purpose-Orientierung und systemischer Denkweise nicht nur Microsoft, sondern auch das CEO-Rollenverständnis neu geprägt hat.



Was bedeutet das für die Zukunft?

Die CEO-Rolle wird auch in Zukunft nicht einfacher – aber sie wird erfüllender, wenn man sie als Plattform begreift: zur Wirkung, zur Verbindung, zur Transformation.

Erfolgsentscheidend wird sein:

  • Selbstführung: Der CEO muss sich selbst gut kennen und steuern können.

  • Ambiguitätstoleranz: Widersprüche gehören zum Alltag – und sind gestaltbar.

  • Vertrauensaufbau: Vertrauen ist der neue ROI.

  • Adaptionsfähigkeit: Lernen ist nicht nice-to-have, sondern überlebenswichtig.

  • Menschenzentrierung: Organisationen bestehen nicht aus KPIs, sondern aus Menschen.



Fazit

Die Rolle des CEO hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert – von der Führung über Macht hin zur Führung durch Vertrauen, von Planung zur permanenten Transformation, von Kontrolle zur Beziehungspflege. Diese neue Rolle erfordert neue Kompetenzen, eine neue Haltung – und vor allem: Mut zur Veränderung.


Denn am Ende gilt:


Ein Unternehmen kann sich nur so weit verändern, wie sein CEO bereit ist, sich selbst zu verändern.

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